Theodor Scheufele

Daheim Unterwegs Unterwegs Daheim

Lyrik von Johanna Laier,Johanna Mückain, Lydia Pautzke, Uta Regoli, Cordula Scheel

Aus dem Nachwort:

Fünf Autorinnen aus verschiedenen Generationen und Gegenden mit unterschiedlichem biographischem Hintergrund erklärten sich zur Beteiligung an dem Projekt bereit.

Um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, entschieden wir uns von Beginn an für ein verbindendes Motto der Sammlung. Dies bedeutet nicht, dass wir ein Thema stellten, zu dem in der Art von „Meistersinger“- Wettbewerben jede Teilnehmerin einige Gedichte verfassen sollte. Vielmehr kristallisierte sich bei der Beschäftigung mit der Lyrik der einzelnen Autorinnen ein gemeinsamer Erfahrungskern heraus, der zugleich typisch schien für die Übergangssituation von der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ins jetzige.

Im Zug technischer, ökonomischer, medialer und politischer Umbrüche ist vieles in Bewegung geraten. Die Eindeutigkeit von Ort und Zeit ist verwischt. Jetzt und einst, hier und dort überlagern sich in immer neuen Kombinationen. Man fühlt sich in einer solchen Wendezeit nirgendwo ganz nieder-gelassen und versucht doch beim fortwährenden Aufbruch zu Neuem eine Sicherheit des Daheim-bei-sich zu finden. Der Doppeltitel Daheim unterwegs/Unterwegs daheim benennt beide Aspekte dieser Situation.

Unterwegs daheim sein mag bedeuten, dass wohin immer man reist, die täglichen Gewohnheiten von zuhause mitgenommen werden wie vertraute Kleidung. Dies kann – besonders wenn Unterwegssein gezwungenermaßen geschieht – in jene bittere Starrheit münden, die unwillig und unfähig macht, neuen Situationen anders als durch alte Wahrnehmungsfilter und Reaktionsmuster zu begegnen. In einem Emigrations-Gedicht Bertolt Brechts heißt es: Sah verjagt aus sieben Ländern/Sie die alte Narrheit treiben:/Jene lob ich, die sich ändern/Und dadurch sie selber bleiben. Wer andererseits darauf vertraut, von seinem sicheren Ort der Gewohnheit aus alle geschehende Veränderung nur als „draußen“ erleben zu können, ihn nicht betreffend, der wird feststellen müssen, dass sogar sein Wohn-Ort selbst „unterwegs“ ist, nämlich in der Zeit. Der Weg am Stadtrand, der vor dreißig Jahren durch Wiese und Feld führte, ist vielleicht inzwischen eine asphaltierte Straße geworden, umgeben von Wohnblöcken. Ähnliches hat schon Walther von der Vogelweide in seiner Klage über die entschwundenen Jahre ausgedrückt.

Wechsel und Dauer, das uralte Thema, klingt also in der Relativierung von Daheim und Unterwegs an. Ob als Spannung oder ausgleichender Wechsel, sogar manchmal als Identität – verschiedene Erfahrungen davon bietet unsere Sammlung. Die Gedichte sagen jedoch nicht etwas Theoretisches darüber aus – das tun die kurzen Statements im Anhang -, sondern sie sagen im Modus lyrischen Sprechens die Erfahrung selbst. Vom Liedhaften bis zum Epigrammatischen reicht dabei die formale Skala. Der stilistischen Vielfalt entspricht die Verschiedenheit von Anschauung, Reflexion und Gefühl der einzelnen Autorinnen. Aus innerer Verwandtschaft zwischen ihnen, beruhend auf der gemeinsamen lyrischen Erlebnisweise, ergibt sich dann aber eine Einheitlichkeit der Sammlung, die nicht thematisch geplant werden, sondern sich nur organisch ergeben konnte.

Theodor Scheufele                                                                                                                                         Wien, Januar

ISBN 978-3-9519901-1-8
Kartoniert, 14×20 cm, 68 Seiten. (2011)
ISBN 978-3-9519901-2-5
Leinengebundene Sonderausgabe.

 

Daheim Unterwegs